Stebbach 1930 - 1945    "In Stebbach wurde in der Sylvesternacht 1926 die NSDAP gegründet. Es  waren bestimmt keine leichtsinnigen Männer, die diesen Schritt wagten. Es  waren Männer, die eben nicht mehr mit ansehen konnten, wie armselig die  Menschen manchmal dastanden. Es konnte kaum etwas unternommen  werden - weder privat noch auf kommunaler Ebene. Das wollten die  Stebbacher ‘Alten Kämpfer’ ändern. Was später daraus geworden ist, konnte  damals keiner ahnen". (Zeitzeugenaussage)    In einigen Landgemeinden im Kraichgau hatte Hitlers NSDAP bei den  Wahlen zum Badischen Landtag in den Orten mit mehrheitlich evangelischer  Einwohnerschaft schon 1929 einen enormen Zulauf. Nach der Ernennung  Hitlers zum Reichskanzler (1933) und schon bald mit diktatorischen Rechten  ausgestattet, machten sich die Nationalsozialisten schnell daran, auch die  Regierungsgewalt in den Ländern, Städten und Gemeinden zu übernehmen.   In Stebbach verlief die Machtübernahme durch die Nazis ähnlich wie in  anderen Dörfern. Der amtierende Bürgermeister Alfred Hildenbrand, der nicht  der NSDAP angehörte, kam einer Absetzung durch seinen Rücktritt zuvor.  Zum neuen Bürgermeister ernannt wurde Fritz Geiger, Bruder des Kreisleiters  der NSDAP-Sinsheim Wilhelm Otto Geiger. In den folgenden Wochen und  Monaten wurde das öffentliche Leben gleichgeschaltet. Die Traditionsvereine  in Stebbach, der Gesangverein Liederkranz und der Kriegerverein stellten  ihre Aktivitäten ein, um einem Verbot oder der Auflösung zu entgehen.  Besonders hart traf es den Fußballclub. Dem FC Stebbach wurde wegen  angeblicher ‘sozialistischer Umtriebe’ untersagt, am weiteren Spielbetrieb  teilzunehmen, das Vereinsvermögen wurde beschlagnahmt und der Verein  wegen Parteifeindlichkeit 1934 von Amts wegen sogar aufgelöst.    Besonderes Augenmerk richteten die Nationalsozialisten auf die Erziehung  der Jugend.     "Wir Schulkinder wurden fast ganz im nationalsozialistischen Geist erzogen.  Von unserem Lehrer hörten wir tagtäglich nationalsozialistische Propaganda.  Die benachbarten Völker wurden allesamt als böse, grausam oder unter-   entwickelt dargestellt. Sie seien Feinde der Deutschen. Von den Alten  getraute sich damals keiner mehr den Mund aufzumachen. Sie mussten ja  Angst haben, in der Schule denunziert zu werden, wenn sie ihren Kindern  oder Enkeln Dinge erzählten, die der nationalsozialistischen Lehre wider-   sprachen. Und aus den Zeitungen und den wenigen Radios, die es damals  gab, hörten wir nichts anderes als nur nationalsozialistische Propaganda. Wir  hatten überhaupt keine Chance, irgendetwas anderes zu denken, als das, was  man uns jeden Tag von allen Seiten her eintrichterte. Selbst in der Kirche  hörten wir keine andere Meinung. So lernten wir schon als  Schulkinder den  Hass auf alles 'Undeutsche'. Es war nicht schwierig, uns hinterher auf die  Schlachtfelder zu führen." (Zeitzeugenaussage)     Am 22. Oktober 1940 wurden alle transportfähigen Juden in Baden binnen  weniger Stunden abgeholt und in das damals unbesetzte Frankreich nach Gurs  am Fuße der Pyrenäen deportiert (Wagner-Bürckel-Aktion). Rund ein Dutzend  Stebbacher Bürger erlebte die Säuberungsaktion als Zeugen mit: "Ich war ein  Kind von gerade einmal sieben Jahren als Jette Eisemann und Josefine Ottenheimer, die beiden letzten in  Stebbach lebenden Jüdinnen, abgeholt wurden. Es war morgens gegen acht Uhr. Das weiß ich so genau, weil  ich noch meinen Schlafanzug anhatte, als der LKW vor dem Haus in der Hauptstraße Nr. 54 vorfuhr. ... Mit  mir beobachteten einige Stebbacher das Geschehen. Keiner getraute sich etwas zu sagen oder etwas  dagegen zu tun." (Zeitzeugenaussage)  Die Spur von Jette Eisemann verliert sich an diesem Tag; seit ihrer Deportartion gilt sie als verschollen.  Josefine Ottenheimer überlebte in Frankreich und entging der Deportation in ein Vernichtungslager. Sie starb  am 5. April 1945 in Mâcon im befreiten Frankreich.        Bald zeigte der 2. Weltkrieg auch in Stebbach sein hässliches Gesicht. "Für die Zivilbevölkerung wurden  sofort nach der Mobilmachung Lebensmittelkarten und Kleiderkarten ausgegeben. Ohne Karten bekam man  offiziell nichts mehr. Nur wer einen Bezugsschein vorlegen konnte, durfte etwas kaufen. Mit den Soldaten  wurden gleichzeitig auch unsere Pferde, die wir so nötig für die Feldarbeit gebraucht hätten, rekrutiert.  Anfang des Krieges gab es dann nur Sondermeldungen von den großen Siegen gegen Polen und Frankreich.  Als aber die ersten Nachrichten über im Krieg gefallene Väter, Söhne, Freunde oder Bekannte nach Stebbach  drangen, kam großes und schweres Leid über manche Familie." (Zeitzeugenaussage)     "In den letzten Kriegstagen wurde Stebbach vom Heuchelberg aus verteidigt und kurz bevor die Franzosen  den Ort eroberten, noch von dort beschossen [von deutschen Truppen]; einige Dächer und viele Fenster  gingen dabei zu Bruch." (Zeitzeugenaussage)  Ansonsten gab es nur wenige Kampfhandlungen in Stebbach; der 2. Weltkrieg endete hier am 4. April 1945.  Amerikanische Truppen drangen aus Richtung Heilbronn kommend gegen Schwaigern und Gemmingen vor,  während französische Truppen in der Nacht vom 3. auf den 4. April Eppingen einnahmen und schließlich  Stebbach kampflos eroberten. Bis dahin hatten 54 Stebbacher ihr Leben in einem sinnlosen Krieg für ein  verbrecherisches Regime hergeben müssen. Das Resultat des Krieges: Tod, Trauer, Zerstörung, Vertreibung,  Krankheit, Hunger, Elend und Not.     In den ersten Nachkriegsjahren war Stebbach vor die Aufgabe gestellt, Wohnraum bereitzustellen und die  Ernährungslage zu sichern, denn die Gemeinde war zu 105% durch Heimatvertriebene, Evakuierte und  Flüchtlinge belegt. Für Stebbach war der 2. Weltkrieg zwar vorbei und niemand musste mehr um sein Leben  fürchten, doch das eigentliche Chaos für das Dorf begann erst jetzt richtig! Das alte Stebbacher Rathaus (1755) in den 1930er Jahren